Zwischen Hundewelpen und Gin Tonic – der erste Satzbaum-Autorenstammtisch
29. Oktober 2021Lektorat, Korrektorat und Korrekturlesen – was ist der Unterschied?
20. April 2022Die Heldenreise einfach erklärt
Die Heldenreise am Beispiel der unendlichen Geschichte
Die Heldenreise nach Joseph Campbell (und später Christopher Vogler) wurde zu einem der bekanntesten Storytelling-Konzepte überhaupt. Und das nicht umsonst! Denn wenn du deine Geschichte wie eine Heldenreise aufbaust, ist Spannung (fast) garantiert.
Da eine echte Heldenreise nach dem Ende der Geschichte wieder von neuem beginnen kann (ein wahrer Held lernt niemals aus), möchte ich dir das Konzept am Beispiel von Michael Endes unendlicher Geschichte vorstellen.
Übrigens: Um deinen Protagonisten auf die Heldenreise zu schicken, braucht es gar nicht unbedingt eine wirkliche Reise. Es genügt, wenn deine Hauptfigur das ihr Vertraute verlässt. Das kann z. B. auch die eigene Komfortzone sein.
1. Die gewohnte Welt
Wir lernen den Helden in seinem Alltag kennen. Hier wird bereits eine Schwäche angedeutet, die er später überwinden muss.
Bastian flüchtet sich vor seinen fiesen Mitschülern in eine Buchhandlung. Er ist zu schwach und ängstlich, um sich gegen sie zu wehren.
2. Der Ruf zum Abenteuer
Ein bestimmtes Ereignis fordert das Handeln des Helden heraus.
Bastian entdeckt ein Buch mit dem Titel „Die unendliche Geschichte“ und kann nicht anders, als es heimlich mitzunehmen. Er versteckt sich vor der ganzen Welt und beginnt zu lesen. Er versinkt in die Geschichte und die Welt Phantásien.
3. Die Verweigerung
Der Held zögert. Soll er das Abenteuer wirklich antreten? Ist das nicht zu gefährlich oder sogar unmöglich?
Phantásien ist in Gefahr und kann nur gerettet werden, wenn jemand der kindlichen Kaiserin einen neuen Namen gibt. Bastian denkt, dass er das schaffen könnte. Er sehnt sich nach Phantásien, ist aber auch froh, den Gefahren dieser Welt nicht ausgesetzt zu sein.
4. Der Mentor
Der Mentor kann eine gute Freundin sein oder ein mysteriöser Fremder. Hauptsache er gibt dem Helden den nötigen Schubs.
Ohne es zu merken, ist Bastian längst selbst ein Teil der unendlichen Geschichte geworden. Da er aber noch zögert, befiehlt die kindliche Kaiserin dem Alten vom Berg, dem Hüter der unendlichen Geschichte, das Buch immer wieder von Neuem zu lesen. Somit ist auch Bastian in einer Endlosschleife gefangen.
5. Übertritt in die fremde Welt
5. Übertritt in die fremde Welt Endlich bereit für das Abenteuer, das ihm bevorsteht, macht sich der Held auf den Weg ins Unbekannte.
Bastian kennt längst den neuen Namen für die kindliche Kaiserin. Um aus der Endlosschleife auszubrechen, wirft er seine Zweifel und Ängste über Bord und spricht den Namen laut aus. Da wird er von einem Wind erfasst und nach Phantásien gerissen.
6. Freunde, Feinde, Bewährungsprobe
In der fremden Welt muss sich der Held erst einmal bewähren. Während der ersten Herausforderungen lernt er seine Freunde und Feinde kennen.
Durch seine Wünsche kann Bastian Phantásien neu entstehen lassen. Da es sein größter Wunsch ist, mutig zu sein, erschafft er auch Gefahren und Herausforderungen, die er dann bezwingt – z. B. den Löwen Graógramán, der vom Feind zum Freund wird.
7. Annäherung und Vorbereitungen
Nun dringt der Held vor bis zum Kern seines Abenteuers: Seinem Endgegner und seiner eigenen Schwäche. Der Weg dorthin gibt ihm die nötige Zeit, sich vorzubereiten.
Bastian reist als lange erwarteter Erlöser durch Phantásien. Aber mit jedem Wunsch, den er ausspricht, verliert er eine Erinnerung an die Menschenwelt. So wird er willenlos und empfänglich für schlechte Einflüsse, die einen Keil zwischen ihn und seine Freunde treiben.
8. Die große Prüfung
Showdown! Jetzt geht es um alles oder nichts. Wenn der Held jetzt erfolglos ist, geht garantiert alles den Bach runter.
Bastian erklärt sich zum Herrscher Phan-tásiens und es kommt zur Schlacht zwischen seinem neuen Gefolge und seinen alten Freunden. Erst danach erkennt Bastian, dass er nicht selbst über Phantásien herrschen kann, sondern es retten muss, indem er seinen wahren Willen findet: zu lieben.
9. Die Belohnung
Geschafft! Der Feind und die eigene Schwäche sind bezwungen. Nun wartet eine Belohnung auf den Helden.
Nur mit der Hilfe seiner Freunde konnte Bastian, der alle Erinnerungen an sein früheres Leben verloren hatte, seine Prüfungen bestehen. Als Belohnung darf er im Wasser des Lebens baden und erhält seine Erinnerungen zurück. Er wird wieder zu dem Jungen, der er einmal war, bleibt aber im Inneren verändert.
10. Übertritt in die vertraute Welt
Die Aufgabe, für die der Held seine vertraute Welt verlassen hat, ist erfüllt. Damit steht es ihm frei zurückzukehren.
Bastian erinnert sich wieder an seinen eigenen Namen. Indem er ihn ausspricht, kehrt er zurück in seine Welt.
11. Der steinige Rückweg
Nicht nur die fremde, sondern auch die vertraute Welt hält Herausforderungen bereit. Indem er sich diesen stellt, kann er beweisen, dass er an seinem Abenteuer gewachsen ist.
Bastian findet sich in seinem Versteck (auf dem Schulspeicher) wieder. Da die Schule mittlerweile geschlossen ist, muss der einst so ängstliche Junge über ein Gerüst nach unten klettern. Außerdem muss er das gestohlene Buch zurückbringen.
12. Die Rückkehr: Beide Welten vereint
Mit seinen neuen Fähigkeiten kann der Held nicht nur in der fremden, sondern auch in der vertrauten Welt bestehen.
Bastian söhnt sich mit seinem Vater aus und übernimmt es selbst, sich dem Buchhändler zu stellen, anstatt dies auf seinen Vater abzuwälzen. Sein neugewonnener Mut hilft Bastian, auch die Herausforderungen in seiner Welt zu meistern.
Bist du bereit, mit deinen Figuren selbst auf Heldenreise zu gehen? Kontaktiere mich als deine Mentorin! Ich stehe dir gern beim Schreiben zur Seite – von der Idee bis zur Veröffentlichung.